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Der Verkehrsanwalt Aktuelles Interview mit e.Consult AG

Kein Wachstum ohne Digitalisierung

Interview der Verkehrsanwalt:

Gespräch mit Moritz Brunner von e.Consult AG zum Thema:
Kein Wachstum ohne Digitalisierung? Wie wirkt sich der Fachkräftemangel in Anwaltskanzleien aus?

Sehr geehrter Herr Brunner, stellen Sie sich doch bitte einmal vor.

Brunner: Ich bin Teil der erweiterten Geschäftsführung der e.Consult AG und als Product Owner für die „Versicherungskommunikation“ der Anwaltschaft zuständig.
Ich verantworte neben mehreren hundertausend Schadenabwicklungsvorgängen jährlich auch die Weiterentwicklung und Ausweitung der DAV Fastlane, dem Gemeinschaftsprojekt der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht, der Versicherungswirtschaft und der e.Consult AG.
Seit einigen Jahren dreht sich mein Berufsleben um das Stichwort „Claims“ und die Frage, wie man
Mitabeitern in Versicherungsunternehmen, LegalTechs und Anwaltskanzleien wieder mehr Zeit für die fachliche Arbeit verschafft.
BusinessBeschleunigung heißt, gemeinsam mit den Projektpartnern die avisierten Ziele genau zu verstehen und das System zu knacken, um die Hürden auf dem Weg dorthin beiseite zu schaffen.

Ob große oder kleine Kanzlei, der Fachkräftemangel ist überall spürbar!

Brunner: Stimmt. Seit Jahren vergrößert sich die Lücke zwischen ausgebildeten Fachkräften und zugelassenen Berufsträgern. Wenn man sich die Zahlen genauer ansieht, erkennt man sofort die Problematik: Die Anzahl der Abschlüsse im Beruf der Rechtsanwaltsfachangestellten lag 2020 bei 2.697 und hat sich seit 1998 damit halbiert (5.766). Hingegen ist die Zahl der Berufsträger im selben Zeitraum von 91.516 auf 165.901 stark angewachsen. Und „Spoilerwarnung“ es wird nicht besser, sondern schlimmer.

Gerade gestern hat mir noch eine Anwältin erzählt, dass sie, nachdem ihre langjährige ReFa in den Ruhestand gegangen ist, über ein Jahr vergebens nach einem Ersatz gesucht hat.

Brunner: Die geringeren Ausbildungszahlen sind das eine, aber es kommen auch noch weitere Faktoren dazu: Ein hoher Wettbewerb auf dem Markt. Versicherer und andere Dienstleister locken ReFas mit attraktiven Konditionen und Sonderleistungen, ein immer stärkerer Schwund von erfahrenen Kolleg:innen durch den demographischen Faktor und dann natürlich die neuen Anforderungen an Work-Live Balance oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Was sind denn die Auswirkungen des Fachkräftemangels, die Sie in Ihrer Beratungspraxis feststellen?

Brunner: Die Auswirkungen sind vielfältig. Das beginnt schon damit, dass durch den Mangel die Arbeitsbelastung für alle in der Anwaltskanzlei enorm steigt. Stress und Überstunden nehmen zu, was wiederum zu Kündigungen führen kann. Die Neugewinnung von Mitarbeitenden ist zeitlich sehr aufwändig und oft genug nicht von Erfolg gekrönt. Ein Teufelskreis.

Was aber meiner Ansicht nach aus betriebswirtschaftlicher Sicht noch fataler ist, das Wachstum in Kanzleien wird gehemmt und Chancen werden verpasst.

Woran zeigt sich das?

Brunner: Zum einen leben Anwaltskanzleien stark von der Weiterempfehlung ihrer Mandantschaft. Die findet aber nur statt, wenn eine gewisse Zufriedenheit mit der Dienstleistungserbringung bestanden hat. Wenn aber nun während des Mandats die Erreichbarkeit schlecht war, die Transparenz über den Fortgang des Mandats oder die nächsten Schritte nicht gegeben waren oder die Mandantschaft sich nicht gut aufgehoben gefühlt hat, weil sie zu lange im Wartezimmer gehockt hat, nicht mit dem richtigen Namen angesprochen wurde oder sich schlicht und einfach vergessen gefühlt hat, wird’s mit der Weiterempfehlung schwierig. Wenn dann noch schlechte Bewertungen auf Google oder anderen Plattformen dazukommen, haben wir schon den nächsten Teufelskreis.

Was hemmt das Wachstum noch?

Brunner: Wachstum hat immer etwas mit zeitlichem Invest zu tun, und Wachstum generiert im Dienstleistungsbereich in der Regel mehr Arbeit. Stellen Sie sich mal vor, Sie sitzen in einer – sagen wir mal – kleineren Kanzlei mit zwei Berufsträger:innen und zwei ReFas und es kommt ein Inhaber eines Unternehmens mit einer mittleren Autohausflotte und sagt: „Könnt Ihr für mich das Unfallschadenmanagement übernehmen, wir haben mehrere hundert Schäden im Jahr und hätten gerne einen Dienstleister, der uns alles abnimmt. Was machen Sie dann?

Schwierig?

Brunner: Oder Sie fahren eine erfolgreiche Werbekampagne auf den Sozialen Medien und bekommen plötzlich mehrere Bußgeldanfragen pro Tag. Das ist sehr attraktiv, muss aber gehändelt werden und auch der Tag in einer Anwaltskanzlei hat nur 24 Stunden. Na gut, es gibt noch die Nacht (lacht).

Aber was tun? Mandate ablehnen, kann ja nicht die Lösung sein?

Brunner: Gute Frage. Was kann man tun? Man kann – selbst – noch mehr arbeiten. Das dürfte allerdings bei den Berufsträgern, die ich kenne, schwierig werden, da 60 Stunden-Wochen in erfolgreichen Anwaltskanzleien keine Ausnahme sind.
Man kann mehr in das Personal investieren, überdurchschnittliche Löhne bezahlen, Sonderzulagen leisten, Dienstfahrzeuge etc. anbieten. Doch da stellt sich schnell die Frage, ob das wirtschaftliche Gleichgewicht in der Kanzlei nicht in Schieflage gerät, da nicht jedes Rechtsgebiet eine entsprechende Umsatzrendite gewährleistet.

Nun vertreten Sie ja mit e.Consult ein Unternehmen, das sich der Digitalisierung von Anwaltskanzleien verschrieben hat. Heute nennt man es Legaltech. Ist Legaltech das Allheilmittel?

Brunner: Was heißt Allheilmittel. Ich würde sagen, Digitalisierung der Madatsbeziehung ist die effizienteste Option, die sich anbietet. Warum?
Mit der Digitalisierung können Routinetätigkeiten vom Mensch auf den Computer übertragen werden und mit der LegalTech kann ich die Mandantschaft enger in die Wertschöpfungskette einbeziehen.

Wenn ich mir den gesamten Mandatsprozess anschaue also von dem – wir nennen es gerne – Onboarding der Mandantschaft, also der Aufnahme aller Daten und Unterlagen, der Bevollmächtigung, der Klärung des Sachverhalts, über die stetige Kommunikation während der Mandantsbearbeitung mit allen Beteiligten bis hin zum Abschluss des Mandats, der Bewertung, Weiterempfehlung, ergeben sich etliche Möglichkeiten um die Arbeit zu reduzieren und trotzdem die Dienstleistungsqualität zu verbessern.

Und die Mandantschaft findet das toll?

Brunner: Unserer Erfahrung nach sind es die Verbraucher heute gewöhnt, sich an Dienstleistungsprozessen zu beteiligen. Das ist doch überall so. Schauen Sie sich doch mal eine Reisebuchung an, wie die heute abläuft, oder das Online Banking oder der Kauf von Schuhen bis hin zum Vertrieb von Autos. Überall machen die Leute – gerne – mit, weil Sie die Erfahrung gemacht haben, das das so schneller geht.

Ich sage immer „Die Mandantschaft ist bereit, aber sind es auch die Kanzleien?“

Schön gesagt. Aber wie muss ich mir das konkret vorstellen?

Brunner: Schauen wir uns doch ein paar simple Fälle an. Warum brauche ich bei der Mandantsaufnahme von sagen wir mal einer Bußgeldsache oder einem einfachen Blechschaden unbedingt und in jedem Fall einen Menschen? Das kann ich doch super über eine APP oder die Homepage abfragen, in meine Kanzleisoftware übernehmen und die anschließenden Schriftstücke zumindest teilautomatisieren oder?

Klingt gut!

Brunner: Oder die Kommunikation mit den Versicherern. Warum Mail und Fax, wo es doch auch die Möglichkeit gibt, strukturiert Daten zu übermitteln?
Das beschleunigt den Prozess und der Anwaltverein hat ja durch das Projekt DAV FastLane dafür gesorgt, dass das digitale Engagement von Anwaltskanzleien sogar noch direkt finanziell vergütet wird. Das ist doch genial.
Drei Fliegen mit einer Klappe. Schnellere Prozesse, mehr Umsatz und höhere Zufriedenheit der Mandantschaft.

Wenn man jetzt noch die Weiterempfehlungsquote dadurch steigern könnte, wäre auch der Wachstumspfad betreten!?

Brunner: Stimmt. Und wenn man nun noch technische Möglichkeiten nutzt, um die Empfehlungen messbar und noch einfacher zu machen, ist man auf dem richtigen Weg.

Aber so einfach scheint es ja nicht zu sein, sonst würde es doch jeder machen?

Brunner: Innovationsdilemma. Wo drückt der Schuh?
An guten Ideen mangelt es modernen Anwaltskanzleien nicht. Das ist unsere Erfahrung.
Viele haben innovative und ziemlich konkrete Vorstellungen darüber, wie sie mit neuen Dienstleistungsangeboten ihre Geschäftsbereiche skalierbarer machen können oder ihren Wirkungskreis national oder sogar international ausweiten können.
Ich kenne etliche Kanzleien, die gute Ideen haben, um digitale Anbindungen an Großmandantschaft oder an typische Vermittler wie Autohäuser oder Sachverständige zu realisieren.
Doch oft scheitert die Umsetzung. Was sind meiner Erfahrung nach die häufigsten Gründe?

  • Fachkräftemangel: Der Hauptgrund für Innovation ist oft auch das Haupthindernis, weil für die Umsetzung die Zeit fehlt.
  • Komplexität: Die eigene Homepage, die eigene Kanzleisoftware, Systeme von der Mandantschaft …Diese Welten sind oft nicht miteinander kompatibel.
  • Zu groß gedacht: In Anwaltskanzleien arbeiten sehr oft sehr perfektionistische Menschen und bevor die eine Sache halb machen, machen sie sie lieber überhaupt nicht.

Was also tun?

Brunner: Simplycity is the key to Success.

  • Erstmal eine Analyse machen, wo der Schuh am meisten drückt und wo man mit dem geringsten Aufwand den größten Effekt erreichen könnte. Oft ist es der Onboardingprozess der Mandantschaft noch bevor die eigene Sacharbeit beginnt.
  • Schritt für Schritt vorgehen. Nicht Rom an einem Tag erbauen wollen
  • Agil vorgehen. Das heißt, die Mandantschaft in die einzelnen – kleinen – Schritte einbeziehen, Feedback verarbeiten und dann den nächsten kleinen Schritt machen.

Na das hört sich doch mal nach einem Plan an. Wie erreicht man euch, wenn man sich für das Thema interessiert?

Brunner: Einfach den QR-Code nutzen!